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Kunsthistorisches Institut

FM1 Bern (2011-2014)

Universität Bern, Institut für Kunstgeschichte.

Leitung: Prof. Dr. Bernd Nicolai

Institut für Kunstgeschichte, Universität Bern, Hodlerstrasse 8, CH-3011 Bern, Schweiz, bernd.nicolai (@) ikg.unibe.ch

Der „Raum“ als Kategorie hat sich in Architekturtheorie und Geschichtsschreibung der Moderne des 20.Jahrhunderts dermassen fest etabliert, dass er uns heute als grundlegend erscheint. Ganze Schulen, Richtungen und Stile werden über die „Behandlung des Raumes“ charakterisiert, mitunter wird „Raum“ sogar zum Wesenskriterium der Architektur überhaupt erklärt. Die Rede vom „Raum“ ist also selbst historisches Phänomen, und zwar mit wechselseitigen Implikationen, wissenschaftshistorisch wie architektur- und kunsthistorisch. Dieses Verhältnis wissenschafts- und diskursgeschichtlich sowie architekturhistorisch an Raumdiskursen in Architektur und Städtebau unter den normativen und fortschrittsgebundenen Prämissen der Moderne des 20.Jahrhunderts, d.h. des Zeitraums zwischen 1910 und 1990, zu verfolgen, ist Ziel der zweiten Förderphase.

Sprach Schmarsow 1893 davon, dass das „innerste Wesen“ der Architektur der Raum sei, so befinden wir uns nach Foucault in einem „Zeitalter des Raums“, dessen Beschaffenheit nicht nur die Wahrnehmung konditioniert, sondern der vor allem auch metaphysischen Charakter hat. Neben der kulturgeschichtlichen Dimension, ist es die Architekturtheorie, die den Raum eng mit dem Wissenschaftsdiskurs des 19. und 20. Jahrhunderts verbindet. Das beinhaltet neben der konstruktiv-bautechnischen Dimension vor allem auch Fragen nach der Perzeption. Um 1900 ist ein neuartiger anthropomorpher Zugang zum Raum festzustellen. Die psychologische Bedeutung des Raums für das autonome, sich zunehmend vereinzelnde Individuum des Industriezeitalters, wurde auch allgemeiner, so von Ernst Cassirer, als Möglichkeit der Stiftung eines „allgemeinen Sinnzusammenhangs“ beschrieben. Die 1914 erschienenen „Entwicklungsphasen der neueren Baukunst“ des Wölfflinschülers Paul Frankl führten die Begriffe der „Raumform“ und der „Raumkörper“ ein, um Architektur neu zu verorten. Der sinnlich erfahrbare Konfigurationsraum der Körper und ihres wesenhaften „Dazwischen“ wird jedoch nicht verlassen. Damit verbinden sich mit Raum weitreichende metaphorische, ja sogar explizit utopische Inhalte. Daneben entstehen im Städtebaudiskurs der zwanziger und dreissiger Jahre die Begriffe „Stadtraum“ und „Stadtkörper, auch hier ein Raumbegriff, der zwischen „Absolutraum“ und „Realraum“, zwei Begriffen aus der Geographie, oszilliert und der zwischen physikalischen, mathematischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kategorien vermittelt. Daneben verweist der Körperbegriff auf kategoriale Ordnungsvorstellungen (Volkskörper) wie sie im Zeitalter des Totalitarismus auch politisch instrumentalisiert werden. Nur so ist es zu erklären, dass jüngere Theorien von „Raumtyrannei“ sprechen (Venturi), ebenso, wie heute über die Funktion Öffentlichkeit in Bezug auf öffentlichem Raum (und auch Architektur) nachgedacht wird (Latour 2004).

Indem die Kategorie des Raums und des Körpers zwischen Gesellschaft, Zeit, Wahrnehmung und Architektur changiert, ist sie, unter dem Dach von „Art & Science“ als ein Teil der neuen „Raumwissenschaften“ (Günzel 2007), besonders geeignet, substantielle Forschungen zur Architektur- und Kunstgeschichte des 20.Jahrhunderts zu ermöglichen. Architektur-, Technik- und Wahrnehmungsgeschichte können in produktiver Weise aufeinanderbezogen werden. Eine besondere Verbindung ergibt sich zum Forschungsmodul 3 „Kunst und Psychologie“ unter der Leitung von Dario Gamboni sowie zu dem von Prof. Philip Ursprung durchgeführten Forschungsmodul 4 „Architektur und Wissenschaft seit den 1960er Jahren“.

Projektthema I:  Norm und Ordnung: Raumkonzeptionen in Architektur und/oder Städtebau im Zeitalter des Totalitarismus (1922-1953).

Projektthema II: Habitus macht Habitat: Innenräume und Konstruktionen von Lebensentwürfen in der Moderne (1920-1970).

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