Sprach Schmarsow 1893 davon, dass das „innerste Wesen“
der Architektur der Raum sei, so befinden wir uns nach Foucault in einem
„Zeitalter des Raums“, dessen Beschaffenheit nicht nur die Wahrnehmung
konditioniert, sondern der vor allem auch metaphysischen Charakter hat. Neben
der kulturgeschichtlichen Dimension, ist es die Architekturtheorie, die den
Raum eng mit dem Wissenschaftsdiskurs des 19. und 20. Jahrhunderts verbindet.
Das beinhaltet neben der konstruktiv-bautechnischen Dimension vor allem auch
Fragen nach der Perzeption. Um 1900 ist ein neuartiger anthropomorpher Zugang
zum Raum festzustellen. Die psychologische Bedeutung des Raums für das
autonome, sich zunehmend vereinzelnde Individuum des Industriezeitalters, wurde
auch allgemeiner, so von Ernst Cassirer, als Möglichkeit der Stiftung eines
„allgemeinen Sinnzusammenhangs“ beschrieben. Die 1914 erschienenen „Entwicklungsphasen der neueren
Baukunst“ des Wölfflinschülers Paul Frankl führten die Begriffe der „Raumform“
und der „Raumkörper“ ein, um Architektur neu zu verorten. Der sinnlich
erfahrbare Konfigurationsraum der Körper und ihres wesenhaften „Dazwischen“
wird jedoch nicht verlassen. Damit
verbinden sich mit Raum weitreichende metaphorische, ja sogar explizit
utopische Inhalte. Daneben entstehen im Städtebaudiskurs der zwanziger und
dreissiger Jahre die Begriffe
„Stadtraum“ und „Stadtkörper, auch hier ein Raumbegriff, der zwischen „Absolutraum“
und „Realraum“, zwei Begriffen aus der Geographie, oszilliert und der zwischen
physikalischen, mathematischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kategorien
vermittelt. Daneben verweist der Körperbegriff auf kategoriale
Ordnungsvorstellungen (Volkskörper) wie sie im Zeitalter des Totalitarismus
auch politisch instrumentalisiert werden. Nur so ist es zu erklären, dass
jüngere Theorien von „Raumtyrannei“ sprechen (Venturi), ebenso, wie heute über
die Funktion Öffentlichkeit in Bezug auf öffentlichem Raum (und auch Architektur)
nachgedacht wird (Latour 2004).