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Kunsthistorisches Institut

Falten-Muster. Texturen der Bildlichkeit

Internationale Tagung / International Symposium

Basel, 31.05. – 1.06.2013

ERC-Projekt TEXTILE, Universität Zürich und eikones NFS Bildkritik, Universität Basel

Veranstaltungsort: eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH-4051 Basel www.eikones.ch

Konzept

Falte und Muster bezeichnen zwei Prinzipien, die – offensichtlich oder versteckt – innerhalb der Kunst allerorts als formbestimmende Größen präsent sind. Doch wie lassen sich Falte und Muster genau fassen und wie verhalten sie sich zueinander? Die Falte erweist sich zunächst als materielle Größe, während das Muster eine visuelle Struktur ist. Die Tagung soll untersuchen, inwieweit die beiden Momente voneinander bedingt sind und ob sie zusammen als konstitutive Merkmale der Bildlichkeit bezeichnet werden können.

Die Herausforderung und das Potenzial einer solch ambitionierten Zusammenschau von Falte und Muster besteht darin, dass sich Falte und Muster in zwei Aspekten, nämlich Räumlichkeit und Struktur, geradewegs konträr zueinander verhalten: Falten erzeugen Räumlichkeit, indem sie eine Fläche durch ihre Zusammenziehung auf- und einwölben. Umgekehrt dazu weist die Flachheit des Musters eine den Raum zur Fläche negierende Tendenz auf. Zudem sind Falten vor allem irregulär und asymmetrisch strukturiert, während die Musterformationen meist regelmäßige und symmetrische Anordnungen aufweisen. Gleichwohl stehen diese gegensätzlichen Merkmale von Falte und Muster in einem komplementären Wechselverhältnis zueinander: Die Raumeröffnung der Falten ist immer auch ein Verschließen von Raum. Stets verdecken die raumschaffenden Auswölbungen den von ihnen mit gesetzten Rückraum. Dem gegenüber ist das Muster notwendig auf eine ‚idealen Flächigkeit‘ festgelegt, damit es sich überhaupt störungsfrei als unendlicher zweidimensionaler Rapport zu artikulieren vermag. Angesichts dieser skizzierten unterschiedlichen Infinitesimalität sind Falte und Muster über ihre differente Räumlichkeit und Struktur hinaus durch verschiedene Formen der Zeitlichkeit geprägt: Einerseits das intervallartige, Kontraktion und Expansion folgende Bewegungsgeschehen der sich wölbenden Falten, das die Fläche zum Raum dynamisiert, andererseits die Repetition des Musters als fortlaufende, modulare Selbsterzeugung.

Ein materieller Kreuzungspunkt von Falte und Muster ist das Textil: Die textilgebundenen Falten und Muster vermögen verschiedenste aufeinander bezogene Erscheinungsformen anzunehmen, was sich bereits im klassischen kunsthistorischen Begriff des ‚Faltenmusters‘ niederschlägt. Die Fokussierung auf das Textil ermöglicht es anhand konkreter Beispiele Falte und Muster als formgebende Prinzipien zu untersuchen und ihre Reichweite für die Erzeugung von Bildlichkeit auszuloten. Dabei kann einerseits das Muster als grundlegend verstanden werden, indem die Materialität des textilen Stoffes durch das vermittels von Kette und Schuss erzeugte Muster bedingt ist und die Materialität des Stoffes somit bereits die mediale Selbstartikulation des Musters darstellt. In dieser Hinsicht vermag der Stoff nicht erst durch seine Verwendung, sondern bereits vermittels seiner internen Struktur eine ornamental formierte Bildlichkeit aufzuweisen. Andererseits kann der Falte eine prinzipielle Geltung eingeräumt werden, indem der sich keineswegs notwendigerweise als sichtbares Muster artikulierende Stoff erst vermittels der Falten als Darstellungsmedium aktiviert wird, wodurch er einen Bildcharakter gewinnt und somit auch seine eigene Körperlichkeit neu erzeugt. Die Falten, etwa der Draperie, vermögen vermittels des Stoffs unsichtbare Wirkkräfte in sichtbare Strukturen zu überführen. Dabei wird die Ausformung der Faltenstrukturen von der spezifischen Widerständigkeit des Stoffes bestimmt, welche der Stoff den extern auf ihn einwirkenden Kräften entgegensetzt. Auf diese Weise bilden sich verschiedene Faltenmodi aus, die als Faltensprache semantisch wirksam werden. Falten unterscheiden sich allerdings grundsätzlich vom Muster darin, dass sie nicht allein Strukturen hervorbringen, sondern diese auch durch ein zerknitterndes Zerfalten negieren können. Zu fragen wäre also ebenfalls, inwiefern nicht eben diese unregelmäßigen Momente, insbesondere wenn sie als Störung eines Musters wirksam werden, ein bildgebendes Potenzial zu entfalten vermögen.

Den skizzierten an Falte und Muster gestellten prinzipiellen Fragen soll während der Tagung vor allem anhand von Fallstudien nachgegangen werden, welche die Polarität von Falte und Muster, ihren Widerstreit aber auch ihre produktive Ergänzung in den Blick nehmen.

Concept

Fold and pattern designate two form principles that are omnipresent in art. But precisely how are fold and pattern to be understood and how do they relate to each other? The conference will address how the relation of fold – as material entity – and pattern – as visual structure – is constitutive for the iconic.

The challenge and potential in bringing pattern and fold together is linked to two aspects that at the same time mark an opposition: spatiality and structure. Folds create space, while patternstend to reduce space to flatness. Furthermore, folds are irregular and asymmetric while patterns are regular and symmetrical. Nevertheless, pattern and fold seem to be engaged in a complementary, mutual exchange: folds creating space also mean closure of space. Folds always cover the enveloped space behind. And pattern is necessarily linked to an “ideal flatness” in order to function as infinite pattern repeat.Apart from the outlined differences in spatiality and structure, fold and pattern are distinguished through different forms of temporality: On the one hand, the intervals of contraction and expansion resulting in the dynamic spaceof folds, on the other hand infinite repetition of pattern as consecutive self-declaration as pattern.

A given intersection where pattern and fold meet are textiles: here, textile materials with patterns and folds result in various forms related to each other – as becoming apparent in the notion of “pattern of folds”. Through a focus on textiles it becomes possible to discuss the form principles of pattern and fold as well as their potential in image making. Pattern seems to be implied in the materiality and media specificity of a textile weave where warp and weft constitute a pattern in itself. In this respect, a weave does articulate an ornamental image structural quality even before considering its use artistically. But even the fold has principal qualities since it might activate a textile (which not necessarily is experienced as pattern immediately) as medium for representation with image character. Folds, for example in drapery, may translate unseen forces into visual structures. The structures of folds are determined through the material qualities of cloth set against the external forces. This results in various modes which articulate themselves as a language of folds implying its own semantics. Another semantic instance occurs when textile clothes substitute the person who wears them. In these cases representation might benefit from pattern.

Nevertheless, folds are essentially different from patterns since they have the ability to develop structures while they at the same time are able to disturb them through unfolding creases. One has to ask whether these instances of rupture, especially when effective as disturbance in patterns, develop an image potential. Following these outlined principle questions regarding pattern and fold, this conference sets out to discuss oppositions as well as prolific completions with the help of case studies.

Programm

Freitag, 31.05.13.

14:00 – 14:30 Begrüßung und Einführung von Christian Spies (Basel) und Mateusz Kapustka (Zürich): Verknotungen und gefaltete Muster

Moderation: Agnes Hoffmann

14:30-15:15 Sabine Mainberger (Bonn) Muster und Falte(r) bei Vladimir Nabokov

15:15 – 16:00 Martin Sundberg (Basel) Gegenläufige Bewegungen. Teppich, Falte, Muster in der Moderne

Moderation: Nina Gerlach

16:30 – 17:15 Anne Röhl (Zürich) Falten zwischen Form und Anti-Form in Robert Morris' felt works

17:15 – 18:00 Dietmar Kohler (Halle) Wie Fotografien Räume bilden – Wolfgang Tillmans' postmedialer Bildbegriff

Moderation: Martin Sundberg

18:15 – 19:15 Abendvortrag mit anschließender Filmprojektion: Mieke Bal (Amsterdam): Unfolding Thought Folds

20:00 – 22:00 A Long History of Madness - a film by Mieke Bal and Michelle Williams Gamaker

Samstag, 01.06.13.

Moderation: Arno Schubbach

9:00 – 9:45 Nina Wiedemeyer (Berlin) Buchfaltenmuster / Textilität von Mustern des Scharniermediums Buch

9:45 – 10:30 Tristan Weddigen (Zürich) Textile Bildräume

10:30 – 11:00 Kaffeepause

Moderation: Sophie Schweinfurth

11:15 11:00 – 11:45 Stefan Trinks (Berlin) Der Knoten im Grab – Semantisiertes Ornament und entfaltetes Bild

11:45 – 12:30 Helga Lutz (Erfurt) Räume aus Falten, Falten aus Mustern, Muster aus Bändern (15. Jhdt.)

12:30 – 13:30 Mittagspause

Moderation: Mateusz Kapustka

13:30 – 14:15 Martin Kirves (Basel) Faltenraum und (Gold-)Mustergrund in der Kunst um 1450

14:15 – 15:00 Antje von Graevenitz (Amsterdam) Hautfalten zum Verbergen und Enthüllen im niederländischen ‚Kwabornament’ des 17. Jahrhunderts – eine ornamentale Strategie gegen das Ornament

Organisatoren / Organizers

Dr. Mateusz Kapustka (Univ. Zürich)

Dr. Martin Kirves (Univ. Basel)

Dr. Christian Spies (Univ. Basel)

Dr. Martin Sundberg (Univ. Basel)

Weiterführende Informationen

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Teaser text